Filmplakat Mrs. Miniver

6,5/10

"Ich will dir etwas verraten: Es wird immer Rosen geben." — Mrs. Miniver, 1942

Mrs. Miniver

Besprechung

Sommer 1939 in einem Vorort von London. Die Familie Miniver ist eine typische Mittelklassefamilie. Clem Miniver (Walter Pidgeon) ist Architekt, seine Frau (Greer Garson) kümmert sich um den Haushalt und gibt gerne das Geld ihres Mannes für Hüte aus. Eines Tages kommt sie aus London zurück, als der Bahnhofsvorsteher Mr. Ballard (Henry Travers) ihr zu Ehren eine Rosenzüchtung nach ihr benennen möchte. Das Leben ist schön.

Doch dann bricht der Krieg aus. Clem wird aufgerufen, den Soldaten in Dünkirchen zu helfen und fährt mit seinem Boot los. Der älteste Sohn, Vin (Richard Ney), ein hochtrabender Student, meldet sich freiwillig und lässt sich zum Flieger ausbilden. Mrs. Miniver, nun mehr oder weniger alleine, hat eine Begegnung mit einem seit Wochen gesuchten deutschen Soldaten. Aber davon abgesehen läuft alles wie gewohnt weiter.

Mr. Ballard will seine Rose auf der jährlichen Gartenschau vorstellen, sehr zum Ärgernis von Lady Beldon (May Whitty), die seit Jahren den Wettbewerb gewinnt. Trotz des Krieges versucht die Familie Miniver, aber auch das gesamte Dorf, ein normales Leben zu führen – bis die deutschen Flieger ihre Bomben auch vor London abwerfen.

Meinung von

Regisseur William Wyler wurde in der Dokumentation zu Ein Herz und eine Krone so sehr gelobt, dass ich mir andere Filme von dem Amerikaner (mit deutsch-schweizerischen Wurzeln) ansehen musste. Mrs. Miniver hat satte sechs Oscars eingesackt – u.a. als bester Film, Greer Garson als beste Hauptdarstellerin, Teresa Wright als beste Nebendarstellerin und William Wyler als bester Regisseur. Damit schien Mrs. Miniver ein guter Startpunkt für mich zu sein, um in das Schaffen von Wyler tiefer einzudringen.

Der Film wurde als "der beste Film über den Weltkrieg" bezeichnet – also zur Zeit des Weltkrieges. Mrs. Miniver zeigt die Briten, wie sie britisch sind. Ja, man befindet sich im Krieg, aber das ist noch lange kein Grund, die jährliche Blumenschau nicht stattfinden zu lassen. Ich darf doch sehr bitten. Aus heutiger Sicht ist Mrs. Miniver an vielen Stellen sehr naiv. Man versucht unbedingt Normalität zu leben, obwohl ein Krieg tobt, britische Soldaten sterben, sogar das Haus der Minivers wird zu einem großen Teil zerstört. Doch die Familie bleibt immer noch freundlich.

Tatsächlich wird in dem Film kein einziges böses Wort über die Deutschen verloren. Das hätte man nur zu leicht machen können: Scheiß Nazis, Massenmörder, Monster ... nichts dergleichen. Man tut so, als wäre Krieg ganz normal, kein Grund zur Panik. Vielleicht verstehe ich den Film aber auch einfach nicht.

Wo sich der Film auch von den Erwartungen abhebt: Es gibt diese Romanze zwischen dem aufsäßigen Vin und der Enkelin von Lady Beldon, Carol Beldon (Teresa Wright). Die jungen Leute kommen sich näher und als Vin in seinem Heimatdorf stationiert wird, heiraten die beiden auch schnell. Nun ist Vin als Flieger immerzu unterwegs. Ich hatte erwartet, dass er abgeschossen wird, um dem Film noch eine Prise Dramatik zu geben. Stattdessen kommt Carol auf dämliche Art und Weise ums Leben. Was folgt ist Menschlichkeit: Lady Beldon ist den Film über eine aristokratische, alte Ziege. Als ihr Carol genommen wird, ist sie einsam und gebrochen. Niemand mag die alte Frau eigentlich. Doch Vin steht zu ihr.

Vermutlich ist es das, was den Film ausmacht: Auch wenn Krieg ist, wenn Bomben fallen und Menschen sterben – ist das noch lange kein Grund, nachtragend zu sein. Von daher ist der Film sehr christlich. Wenn wir Hass auf unsere Feinde haben, werden wir von diesem verschlungen und enden in einer Spirale aus Krieg.

Gelobt wird der Film dafür, dass man auch in Zeiten des Krieges sich nicht unterbringen lassen soll. Bleibt standhaft, lebt Euer Leben, behaltet Euren Mut. Deshalb wird Mrs. Miniver auch als Propagandafilm angesehen. Aber als ein völlig "neuer" Typ von Propagandafilm. Er ist nicht laut, er hat keine Durchhalteparolen. Wyler zeigt normale Menschen, die das einfach machen: durchhalten. Niemand muss ihnen das aus Lautsprechern oder auf Pamphleten entgegenschreien.

Laut Wyler sollte Mrs. Miniver vor allem die Amerikaner wachrütteln. Die schauten aus sicherer Entfernung zu und taten nichts. Doch sie sollten, so Wyler. Der Regisseur meldete sich selber nach Drehende zum Militär, war also nicht nur ein PR-Schaumschläger.

Greer Garson erhielt, wie oben schon erwähnt, den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Ihre Dankesrede war die längste, die jemals gehalten wurde. Garson redete 1943 satte fünfeinhalb Minuten. Im Folgejahr begrenzte man die Redezeit deshalb auf eine Minute. Der Film selber geht zweieinviertel Stunden. Das ist ziemlich lang. Vor allem, so ganz ohne Action. Man muss sich also schon bewusst darauf einlassen. Vielleicht versteht ja jemand diesen Film besser als ich ...