Filmplakat John Wick: Kapitel 4

7/10

"Ich bin Klaus." — John Wick: Kapitel 4, 2023

John Wick: Kapitel 4

Besprechung

Die Hohe Kammer weiß, dass John Wick (Keanu Reeves) nicht tot ist. Um diesem Schreckgespenst den Garaus zu machen, erhält der Marquis (Bill Skarsgård) freie Hand. Er soll „die Angelegenheit John Wick“ endgültig erledigen. Das Kopfgeld wird auf 18 Mio. Dollar festgesetzt. Winston (Ian McShane) gerät ebenfalls in die Schusslinie des Marquis‘. Das Continental wird zerstört, Winston entlassen.

John ist derweil in Osaka bei seinem Freund Shimazu (Hiroyuki Sanada), der das hiesige Continental führt. Shimazus Tochter Akira (Rina Sawayama), die die Concierge des japanischen Hotels ist, ahnt, dass John Unheil über ihr Haus bringen wird. So kommt es auch. Der Marquis schickt seine Leute nach Osaka. Aber am schlimmsten ist, dass er auch den blinden Caine (Donnie Yen) entsendet. Der Marquis hat Caine fest in der Hand. So soll der Freund von John den Gejagten umbringen.

Der flüchtige John erhält den Tipp, dass er den Marquis zu einem Duell herausfordern kann – wenn John einer Familie angehört. Aber die Ruska Roma haben bekanntlich mit ihm gebrochen und sein „Ticket“ zerrissen. John reist dennoch nach Berlin, um seiner Flucht endlich ein Ende zu setzen und wieder Frieden zu finden.

Meinung von

John Wick ist ein Phänomen. Wie damals Underworld auch, erhob sich John Wick aus dem Nichts und setzte sich mal eben ganz oben auf die Treppe. Und wie bei Underworld wurde das Franchise gestreckt. Mit dem Unterschied, dass John Wick nicht so schnell die Treppe runterkam, wie die Reihe mit Kate Beckinsale. Aber irgendwann muss mal Schluss sein.

In John Wick lernten wir den Charakter kennen, erfuhren wie er tickt, was ihn antreibt. John Wick: Kapitel 2 war der Auslöser für einen Handlungsstrang, der sich über drei weitere Filme ziehen sollte. Die Ermordung eines Kammermitglieds auf Continental-Grund führte zu Johns Verbannung. Seitdem sind immer irgendwelche Schläger und Schießwütigen hinter John her.

Während ich so im Kino saß und der Film auf mich einprasselte, fiel mir auf, dass ich es ganz nett finde, wie sich einige Ideen fortgesetzt haben. Im zweiten Teil sehen wir John, wie er zu einem Schneider geht. Der fertigt ihm nicht nur einen eleganten Zwirn an, er verpasst dem Stoff auch eine Zwischenschicht aus Kevlar. So hatte John immer einen gewissen Schutz gegen Schusswaffen, musste aber nie eine Schutzweste tragen. Im vierten Kapitel haben nun auch die Bösewichte vom Marquis solche Kleidung. Immer wieder sehen wir, wie sich die Jungs das Jacket vors Gesicht halten, um sich vor Johns Kugeln zu schützen.

Seien wir ehrlich, die gesamte John Wick-Figur lebt von einer völlig überhöhten, unrealistischen Welt. Wobei man auch sagen muss, dass die Kampfsequenzen stets durchdacht sind, ebenso die Schusskampfszenen. Allerdings haben die letzten irgendwie im vierten Kapitel gelitten. Der gute John ballert teils sehr oft mit der einen oder anderen Knarre um sich. Da fragt man sich schon, wie er ohne Nachladen so oft um sich schießen kann. Das war in den vorherigen Streifen mit mehr Sorgfalt umgesetzt.

Kapitel 4 übertreibt an vielen Stellen mehr als seine Vorgänger. Nicht immer zum Guten. Leider ist Berlin mal wieder als "Ach, da spielen sie doch nur Techno"-Stadt abgestempelt. Sehr schade. Und wieso können dort Kämpfe mit Äxten mitten im Tanzgetummel stattfinden und kaum einer nimmt Notiz davon? Erst, als es dramaturgisch passte, liefen alle Techno-Hoppelhasen aufgescheucht aus dem Tanzpalast. Naja ...

Außerdem scheint es so, als würde die Polizei in Paris erst ab acht Uhr ihre Schicht anfangen. Davor kann eine wilde Verfolgungsjagd und Schießerei im Kreiselverkehr rund um den Arc de Triomphe stattfinden — ohne, dass die Flics auftauchen. "Nicht vor acht Uhr", scheint also deren Motto zu lauten.

Das Finale findet an der Basilika Sacré-Cœur statt. John, der seit Beginn der Reihe immer leiden musste, soll sich dort einfinden. Dann soll das Duell um seine Freiheit stattfinden. Sonnenaufgang ist um 6.03 Uhr. Ist er nicht rechtzeitig da, hat er verloren und ebenso sein Adjutant Winston. Minutenlange Faustkämpfe und ebenso lange Schießereien laugen aus, aber die ultimative Herausforderung sind die rund 222 Stufen des Montmartre, die hoch zur Basilika führen. Auch hier gilt: Keine Polizei vor acht Uhr. John muss sich den Weg nach oben freikämpfen und -schießen. Keine Polizei weit und breit. Es ist etwas anderes, wenn in einem Haus mit dicken Wänden geschossen wird oder sich ein Kampf mit Messern in einem Keller entfaltet. Aber eine Schießerei mitten in einer Metropole? — Kann natürlich sein, dass die Pariser an Schusswechsel gewöhnt sind ...

Neben diesen offensichtlichen "Ungereimtheiten", die man eigentlich als "ist nun mal so" abtun könnte, die aber doch zu sehr auffallen, bietet John Wick: Kapitel 4 alles, was wir von einem John Wick-Streifen erwarten. Bis hin zu einer Knarre, die Feuer spuckt und die Gegner nicht nur zersiebt, sondern auch in Brand steckt. Böses Teil das.

Auch begeistert der vierte Teil, wie seine Vorgänger, mit wunderschönen Orten, die zudem in tolle Farben getaucht sind. Wenn John in Osaka auf dem Dach des Continental vor einem blühenden Kirschbaum steht — sehr schön anzusehen. Mr. Reeves hat, so liest man, seinen ohnehin spärlichen Text noch einmal gekürzt. John sagt also noch weniger als sonst. Man könnte es als Müdigkeit auslegen. Wenn er die Stufen zur Basilika erklimmen soll, sieht man ihm das Leid und den Schmerz an. Kann aber auch nur sein, dass ich selber Gummibeine beim Anblick der Stufen bekam.

Übrigens: Wenn sich John in Paris seinen Weg zur Basilika bahnen muss, wird ihm das vor allem dadurch erschwert, dass der Marquis das Kopfgeld immer mehr erhöht und dem DJ (Marie Pierra Kakoma) eines – anscheinend – nur von Ganoven gehörten Radiosenders den Auftrag gibt, den Häschern den Aufenthaltsort von John zu nennen. Diese Idee ist geklaut ... äh ... inspiriert von Walter Hills Die Warriors. Aber so ziemlich genau gekupfert. Das fängt damit an, dass wir nur den Mund des weiblichen DJs sehen, bis zum ersten Lied, das gespielt wird. Nennen wir es eine Hommage.

John Wick: Kapitel 4 bildet für mich einen runden Abschluss zur Reihe. Das Ende ist versöhnlich und gut gewählt. Eigentlich ist es das einzige, denkbare Ende. Daumen hoch. (Noch einmal: Es wurde viel übertrieben. Ein blinder Hitman? Ich darf doch sehr bitten ...)

Mich hat es sehr gefreut, Clancy Brown wieder auf der Leinwand zu sehen. Ihr wisst schon: Der Bösewicht aus Highlander. Er spielt hier einen Vermittler zwischen den Parteien.

Warte mal. Hat nicht auch Bill Skarsgård In John Wick 4 mitgespielt? Ja. Mir war so. Seine Rolle ist mager. Vielleicht kommt der Es-Darsteller im Original besser rüber. In der vorliegenden Version war er lahm. Was die Synchronisation ausmacht, haben wir zuletzt bei Birds of Prey gesehen.

Als der Abspann lief, bin ich extra sitzen geblieben. Lance Reddick ist kurz nach dem Ende der Dreharbeiten verstorben. Da sein Charakter Charon eine so beliebte Figur war, wollte ich sehen, ob sie ihm im Abspann eine Tafel spendieren. Also in dem Abspann, den ich im Kino gesehen habe, wurde nicht an ihn erinnert. Schade. Vielleicht später auf DVD.