Besprechung
Nach 9/11 haben die Amerikaner vermehrt auf Kriegsführung mit Drohnen gesetzt. Irgendwo bei Las Vegas ist Major Thomas Egan (Ethan Hawke) stationiert. Eigentlich ist er Pilot, hat auch Einsätze hinter sich, doch nun hockt er in einem Container und fliegt eine Drohne irgendwo im Nahen Osten. Schichtdienst. Zielpersonen werden aus 7.000 Meilen Entfernung mit einem Knopfdruck ausgeschaltet. Anschließend wird aus der Luft gezählt, wie hoch der Schaden war. Egan ist der Mann am Abzug, die frisch dazubekommene Airman Vera Suarez (Zoe Kravitz) setzt die Ziele mit dem Laser fest.
Egan ist innerlich tot. Er hinterfragt seinen Job immer mehr. Früher war er im Einsatz, hat sein Leben für sein Vaterland riskiert. Jetzt sitzt er im klimatisierten Container und geht abends nach Hause zu seiner Frau Molly (January Jones) und den beiden Kindern. Andere Mitglieder der Airforce-Base sehen das als den gelebten Traum, für Egan ist es ein Albtraum. Das, was er da macht ist ohne Risiko und auch ohne Ehre. Mit seiner Frau darf er nicht über das, was er macht, reden. Die Ehe bröckelt immer mehr.
Der Job wird noch verrückter, als sich das CIA einmischt und Egan samt Crew zur Auslöschung von Zielen benutzt. Wurde früher nach ausführlicher Beobachtung eliminiert, sind es nun Ziele, die auf Verdacht und Zufall zu basieren scheinen. Zivilschäden werden vom CIA zum Wohl des amerikanischen Volkes hingenommen. Egan fällt immer tiefer in Selbstzweifel.
Meinung von Nils
Mancher mag es einen "sauberen Krieg" nennen. Keine Verluste auf den eigenen Seiten, nur die Bösen müssen dran glauben. Zum einen fliegen die Drohnen so hoch, dass sie gar nicht gesehen werden, zum anderen — selbst wenn eine abgeschossen wird, dann ist Geld futsch, aber kein amerikanischer Soldat. Das ist doch sauber, oder nicht?
Krieg ist immer sinnlos und grausam. Punkt. Aber man kann die Sichtweise von Egan durchaus nachvollziehen. Wenn schon für einen "höheren Sinn" wie das Vaterland kämpfen, dann wenigstens "in echt". Krieg als Videospiel ist nicht mehr ehrenhaft. Das ist Massenware. Für Egan ist ein Auge-um-Auge erträglicher. Er würde lieber in einer F-16 sitzen und sein Leben riskieren. Das hat ihn damals auch lebendiger gemacht. Die Kinder und Molly hatten zwar Angst um ihn, aber wenn er zurück in der Vorstadt kam, war er wenigstens auch wirklich "da". Jetzt ist er nur noch ein Schatten seiner selbst. Er funktioniert, lebt aber nicht. Morgens gibt es erst mal Vodka vorm Zähneputzen.
Diese Fernkriegsführung macht ihn kaputt. Sein vorheriger „Wingman“, der Vorgänger von Suarez, wurde ausgetauscht, weil er mit 24 Jahren Burn-Out hatte und sich mit Drogen vollgepumpt hatte. Diese Kriegsführung geht also jedem an die Nieren. Schlimm wird es dann, wenn man den Befehl bekommt, aus seinem sicheren, ergonomisch geformten Sitz heraus scheinbar sinnlose Kills durchzuführen. Die CIA hat andere Standards, was eine Tötung rechtfertig und vor allem, was die Kollateralschäden anbelangt. Das führ auch schließlich dazu, dass Egan sich irgendwann über einen Befehl hinwegsetzt. Da kann ihn sogar sein Vorgesetzter Lt. Colonel Jack Johns (Bruce Greenwood) nicht mehr schützen.
Regisseur und Autor Andrew Niccol hat uns erneut ein Thema präsentiert, das unangenehm ist. Mit Lord of War zeigte er uns den Wahnsinn des Waffenhandels. Mit Good Kill den Irrsinn und die psychosozialen Schäden, die ein Fernkrieg auslösen kann. Wie Nicolas Cage, spielt auch Ethan Hawke eigentlich einen bösen Menschen. Beide töten. Für beide ist der Tod Anderer ein Geschäft oder eine Aufgabe. Dennoch zeigt Niccol Egan als von seinem Job gebrochenen Mann. Er macht seinen Auftrag als Airforce-Angehöriger nicht gerne. Nicht mehr. Dem Krieg wurde – so verrückt das klingen mag – das Menschliche genommen. Also stirbt auch langsam Egan.
Niccol und Hawke haben hier zum zweiten Mal miteinander gearbeitet. Die erste Zusammenarbeit fand bei dem großartigen Gattaca statt. Nur dass Hawke in Good Kill noch emotionsloser ist. Was seine Figur verlangt.
Die Protagonisten fragen sich spätestens nach dem Einschalten der CIA, ob ihr Job wirklich noch "richtig" ist und hinterfragen ihn massiv. Johns’ Aufgabe ist es, seine Mannschaft auf Linie zu halten. Eine seiner Reden geht deswegen der Frage nach, was passieren würde, wenn eine Seite aufhören würde? Was, wenn die Amerikaner sagten, sie würden die Angriffe einstellen? Die andere Seite würde weitermachen. Das, was da abläuft mit dem Nahen Osten ist ein einziger Teufelskreis, den niemand gewinnen kann. Eine traurige, aber vermutlich richtige Einschätzung.
Good Kill ist kein Action-Film, sondern ein Drama. Sehr ruhig umgesetzt mit einem versteinerten Ethan Hawke in der Hauptrolle. Man muss sich auf den Film einlassen und ihn im Nachgang wirken lassen. Keine leichte Kost. Aber das wollte Niccol auch nicht. Laut Interview meinte er, man möge ihm Feedback geben. Wenn es keine Reaktion gibt, habe er versagt.