Besprechung
Adam (Jake Gyllenhaal) ist Geschichtsprofessor und gefangen in lauter Routinen. Immer die selben Vorlesungen, abends Sex mit seiner Freundin Mary (Mélanie Laurent), die danach aber auch stets schnell verschwindet. Sein Leben ist grau. Bis eines Tages ein Kollege ihm aus einer Laune heraus einen Film empfiehlt. Adam leiht sich den Film aus. Dabei stellt er fest, dass in dem Streifen jemand mitspielt, der ihm wie aus dem Gesicht geschnitten aussieht.
Ein wenig Recherche und Adam weiß, wie der Schauspieler heißt. Er macht sich auf die Suche nach ihm, bis er schließlich bei Anthony (Jake Gyllenhaal) vor der Tür steht. Adam ist völlig fertig mit den Nerven, weshalb er lieber erst einmal anruft. Eine Frau nimmt ab.
Anthony verbittet sich jeglichen Kontakt mit Adam, der zugegeben beim ersten telefonischen Kontakt zwischen den beiden Männern etwas schräg rüberkam. Doch so wie Adam alles über Anthony erfahren hat, packt es nun auch den Schauspieler, der Mary stalkt, während seine schwangere Frau Helen (Sarah Gadon) zuhause hockt. Adam ist eher verhalten und vor allem verzweifelt ob der Situation, Anthony hingegen dreht voll auf …
Meinung von Nils
Jedes Jahr gibt es das Fantasy Filmfest — meistens im August. Im Frühjahr gibt es die kleinen Schwestern, die Fantasy Filmfest Nights. Ein Wochenende voll mit fantastischen Filmen. Enemy sollte dann der einzige Beitrag für mich sein.
Enemy fängt mit einer sehr verstörenden Szene an. Als diese vorbei ist, lernen wir Adam kennen. Wenn wir ihn sehen, ist alles trist und das Bild hat einen leicht grünen Stich. Er wohnt in der Betonwüste von Mississauga, Kanada (eigentlich soll es Toronto sein). Sein Leben ist grau, seine Umgebung ist es ebenso. Als er dann diesen Mann sieht, der haargenau so ausschaut wie er, packt es ihn. Er ist geradezu besessen und zugleich überfordert mit der Situation. Was hat das zu bedeuten? Wer ist der Kerl? Das scheint Adam alles in eine schwere Krise zu stürzen.
Als sich schließlich Adam und Anthony gegenüberstehen, wird es noch merkwürdiger. Sie gleichen sich bis ins letzte Detail. Sogar eine Narbe ist an der selben Stelle. Adam empfindet das Treffen als Fehler und zieht sich zurück, doch Anthony wird aggressiver, bis er am Ende Adams Rolle übernimmt. Geschlagen und betrübt schleicht sich Adam deshalb zu Helen — die ihn als "den Anderen" erkennt, aber nichts dagegen macht.
Lange hatte der Film etwas von einer Kafka-Geschichte. Der Protagonist, der sich in einer für ihn ausweglosen, unheilvollen Situation befindet, die ihn zu verschlingen droht. Das wird alles wunderbar stimmungsvoll durch die schrecklichen Betonhochhäuser, diese Wohnungsmassenabfertigungen für Insekten dargestellt. Untermalt von einer ständig präsenten, unheilschwangeren Musik, die ein ungutes Gefühl im Hinterkopf entstehen lässt. Das hat Regisseur Denis Villeneuve gut gemacht. Auch wenn ich Kafka nicht mag …
Als sich dann die beiden Gleichen das erste Mal treffen, löst Villeneuve nicht das Rätsel auf, sondern wirft uns in einen Haufen mit weiteren Fragen und Ungereimtheiten. Anthony wird zum Bösewicht. Wie der Zuschauer erfährt, war er das aber wohl schon immer. Er war es, den wir am Anfang bei der seltsamen Szenen mit der Spinne gesehen haben.
Spinnen sind eh ein Thema. Spinnennetze tauchen in den Straßenbahnkabeln auf, in einer Krawatte, in einer gesprungenen Scheibe. Adam träumt immer wieder von Spinnen. Was das alles bedeute, deckt Villeneuve nicht auf. Im Gegenteil, die letzte Szene ist dann nicht nur ein kleiner Schreckmoment, sondern lässt den Zuschauer mit noch mehr Fragen zurück. Man könnte jetzt anfangen und etwas hineininterpretieren, wie 'Adam ist gefangen in einem Netz aus …' - Lügen? Intrigen? Zufällen?
Vor dem Film meinte die Moderatorin — das gibt es bei den Fantasy Filmfest Nights —, der Streifen sei ein "Knobler", den man sich ruhig häufiger anschauen könne. Ich sage "Nein Danke". Ich denke, auch beim wiederholten Anschauen wird Enemy nicht logischer oder auch nur verständlicher.
Die Stimmung vor allem am Anfang, die eingefangenen Bilder, die waren groß und verdienen Punkte. Bis zum Treffen von Adam und Anthony gefiel der Streifen auch irgendwie. Aber in der zweiten Hälfte wird er sehr verworren und unverständlich. Teilweise sehen wir Adam eine gefühlte Ewigkeit vor sich hinstarren. Über lange Strecken wird kein Wort geredet. Massentaugliches Kino ist das schon mal nicht (was nicht das Schlimmste ist).
Den surrealistischen Enemy kann man bestimmt nur mit Drogen im Blut verstehen ...