Besprechung
Das Los Angeles im Jahre 1937 wird gerade von einer Dürre heimgesucht. Eines Tage steht eine Frau im Büro von Privatdetektiv J.J. Gittes (Jack Nicholson). Sie bittet Gittes und seine Männer ihren Mann Holliy Mulwray (Darrell Zwerling) zu beschatten, da sie ihn in Verdacht hat eine Affäre mit einer anderen Frau zu haben. Gittes nimmt an und verfolgt den Chef der Wasserwerke auf seinen seltsamen Tagesgeschäften. Tatsächlich ertappt der Schnüffler den Verdächtigen dabei, wie er sich mit einer jungen Frau trifft. Der Vorfall landet in der Zeitung.
Nicht lange danach steht eine weitere Frau bei Gittes im Büro. Sie gibt an Evelyn Mulwray (Faye Dunaway) zu sein. Gittes ist einem Schwindel erlegen. In seiner Ehre gekränkt geht er dem Fall nach. Wer hat ihn da in Schwierigkeiten gebracht? Als er in seinen Ermittlungen Mulwray befragen will, findet Gittes den Beamten ertrunken vor. Der Fall wird immer mysteriöser.
Gittes gräbt tiefer und kommt einem Geflecht aus Korruption, Bestechung und Betrug auf den auf die Schliche. Das finden die Verantwortlichen jedoch gar nicht lustig und bedrohen zunächst den Detektiv, doch der ignoriert diese Warnung und kommt allmählich hinter das große Geheimnis.
Meinung von Nils
Das wirkt jetzt etwas abgedroschen, aber "solche Filme machen sie heute nicht mehr". Autor Robert Towne bekam 125.000 Dollar angeboten das Drehbuch zu Der große Gatsby zu schreiben, lehnte aber ab. Stattdessen schrieb er für 25.000 die Geschichte zu Chinatown. Beim Schreiben hatte Towne, der für seine Arbeit einen Oscar erhielt, Jack Nicholson und seine Art im Hinterkopf. Deshalb passt das auch so gut. Dabei hatte Nichsolson zwar schon eine ansehnliche Anzahl an Rolle übernommen gehabt, war aber erst im Begriff bekannt zu werden. Mit Chinatown ist im das ohne Zweifel gelungen.
Produzent Robert Evans war nach einigen Rückschlägen sicher, dass er mit Regisseur Roman Polanski eine gute Wahl getroffen habe. Polanski selber wollte nach dem gewaltsamen Tod seiner Frau eigentlich nicht zurück nach Amerika, konnte sich dann aber doch dazu durchringen. Evans war froh, weil er einen europäischen Regisseur auf dem Projekt sitzen haben wollte - die sehen Amerika anders als die Amerikaner. Ach ne ...
Der Film ist einer der bekanntesten Neo noir-Filmen. Die Film noir-Ära war in den 1950ern zu Ende gegangen. Towne nahm einen prototypischen Detektiv à la Marlowe (Tote schlafen fest) und modifizierte ihn. Seine Geschichte dreht sich nicht um irgendwelche Falken, sondern um ein Ränkespiel um Macht, Geld und Politik. Das Verbrechen ist also durchaus größer angelegt im Vergleich zu den "klassischen" Film noir. Auch ist Chinatown, 1974 gedreht, nicht in Schwarz-Weiß gehalten und hat entsprechend auch keine tiefen Schatten. Dieser Film spielt im sonnigen Los Angeles.
Wir lernen Gittes als integren Detektiv kennen. Den Fall will er zunächst nicht annehmen. Er sieht seine Arbeit – er ist spezialisiert auf Scheidungsfälle – als Hilfe für Andere an. Doch da die unbekannte Frau mit viel Geld lockt, macht er sich daran, Mulwray zu beschatten. Dabei ist er dann aber doch etwas blind. Er prüft erst gar nicht, ob die Kundin die ist, die sie vorgibt zu sein. Er tappt in eine Falle.
Die echte Evelyn Mulwray ist zunächst aggressiv, doch fällt dann auf seltsame Weise um. In einem Film noir haben wir für gewöhnlich eine Femme fatale, Faye Dunaway könnte diese gut spielen, doch ihre Rolle ist eine andere. Towne schrieb sie nicht als den Helden zerstörende Frau, sondern als Heldin. Gittes agiert aus selbstsüchtigen Gründen. Sein Ruf steht auf dem Spiel. Geld ist auch ein guter Motivator. Evelyn hingegen handelt selbstlos. Sie beschützt die junge Frau, die Gittes mit ihrem Mann gesehen hat. Der Grund dafür kommt erst spät ans Tageslicht und ist schockierend.
Gittes kommt bei seinen Untersuchungen auch in Kontakt mit Evelyns Vater Noah Cross (John Huston), der zusammen mit ihrem Mann einst Besitzer der Wasserwerke war, bevor sie verstaatlicht wurden. Cross ist ein alter, charmanter Herr, der aber nicht so reich geworden ist, indem er nett zu Leuten war. Also wie immer. Cross bietet Gittes die doppelte Summe an, die seine Tochter bezahlt, um die junge Frau zu finden. Vielleicht kann sie den Mord an Hollis Mulwray aufdecken. Von Mord geht Gittes nämlich aus.
Der Film geht über zwei Stunden, was damals echt lang war. Regisseur Roman Polanski lässt sich Zeit die Figuren und die Geschichte sich langsam entfalten zu lassen. Der Produzent Evans meinte in einem Interview, das wäre ein Grund, dafür warum der Film so großartig ist. Chinatown ist laut Evans aber auch zu kompliziert für ein heutiges Publikum. Man muss still sitzen und der Geschichte folgen, all ihre Verzweigungen wahrnehmen und verarbeiten. Das schafft ein heutiges Publikum nicht mehr. Außerdem hat Chinatown kein Happy End. Hollywood ohne Happy End? Dafür hat Polanski aber kämpfen müssen.
Chinatown ist tatsächlich keine so leichte Kost, wie man sie mittlerweile im Kino vorgesetzt bekommt. Man muss sich etwas konzentrieren. Wer hat hier welche Fäden in der Hand? Wer macht hier was und wieso?
Am Ende kommt heraus, dass Cross seine eigene Tochter vergewaltigt hat und die junge Frau, die sich mit Hollis getroffen hat Evelyns Tochter und Schwester zugleich ist. Evelyn hat nur ihr Kind vor ihrem Vater beschützen wollen. Der ist nicht nur auf diesem Sektor kriminell vorgegangen, sondern auch bei den Dingen, die Chinatown bestimmen ...
Interessant: Regisseur John Huston (Die Spur des Falken, Gangster in Key Largo) spielt in Chinatown Noah Cross. Noah und Wasser, das kommt uns doch bekannt vor? Stimmt, irgendwas mit der Bibel. Oh, warte mal: Huston hat doch auch einen Film namens Die Bibel (1966) gedreht, in dem er eben diesen Noah gespielt hat.
Übrigens nicht wundern, dass der Film Chinatown heißt, dieser Stadtteil von L.A. bis auf den Schluss des Films aber keine Rolle spielt. Gittes war während seiner Zeit als Polizist in Chinatown eingesetzt. Dort hat er gelernt, dass man nicht dem glauben darf, was man sieht. Autor Towne hatte diese Aussage von einem echten Polizisten gehörte, der tatsächlich in Chinatown gearbeitet hat. Der Polizist meinte, aufgrund der vielen chinesischen Dialekte war es nie klar, was man als Polizist gerade macht: hilft man jemandem in Not oder hilft man jemandem gerade eine Straftat zu begehen? Deshalb habe man sich in Chinatown angewöhnt so wenig wie möglich
zu machen. Das ist auch das Motto von Gittes: in Chinatown passieren so viele verschlungene Dinge, dass er irgendwann nicht mehr weiß was er machen soll. Nichts machen scheint in dem Fall eine gute Option. Manchmal muss man Fünfe gerade sein lassen. Das wirkt bitter und resigniert, wenn Gittes das am Ende des Films sagt, nachdem Evelyn erschossen wurde.
Chinatown ist ein echter Klassiker und jeder Filmliebhaber sollte ihn gesehen haben.