Besprechung
Ihr gesamtes bisheriges Leben stand Nina Sayers (Natalie Portman) unter der Fuchtel ihrer Mutter Erica (Barbara Hershey). Erica war Ballerina, doch als Nina zur Welt kam, musste sie ihren Traum aufgeben und projizierte ihn fortan auf ihre Tochter. Mutter und Tochter wohnen zusammen und Nina ist für ihre Mutter immer noch das „liebe Mädchen“.
Nina arbeitet besessen daran, die große Rolle in der Companie des französischen Star-Regisseurs Thomas Leroy (Vincent Cassel) zu bekommen: die Schwanenkönigen in Tschaikowskis Schwanensee, das ist ihr Traum. Thomas will etwas Neues probieren, er sucht für seine Aufführung eine Darstellerin, die sowohl den weißen, als auch den schwarzen Schwan interpretieren kann. Nina ist die ideale Besetzung für den weißen Schwan: unschuldig und rein, doch für den schwarzen Schwan fehlt ihr einiges. Der schwarze Schwan muss verführen können — was Nina nie gelernt hat. Sex, Männer, sich fallen lassen — all das ist ihr fremd. Perfektion und Kontrolle beherrschen ihr Leben. Innere Kontrolle, aber auch die von außen durch ihre Mutter.
Schließlich bekommt Nina doch die ersehnte Rolle, lebt aber in der ständigen Furcht, dass „die Neue“, Lily (Mila Kunis), ihr die Rolle wieder streitig macht. Lily hat das, was Nina fehlt. Die junge Frau, die frisch aus San Francisco kommt, ist locker, verspielt und kann den schwarzen Schwan besser darbieten. Nina fühlt sich bedroht, sie sieht Dinge, die nicht da sind, erlebt Sachen, die nie geschehen sind. Bis die Premiere des Balletts näherrückt. Schafft Nina die Verwandlung hin zum schwarzen Schwan?
Meinung von Nils
Natalie Portman, die in letzter Zeit in jedem zweiten Kinofilm aufzutreten scheint, ist für ihre Darbietung in Black Swan für den Oscar nominiert. Ja, sie spielt gut. Sie passt tatsächlich sehr gut in die Rolle der Unschuldigen, der Naiven. Und denkt man, das sei alles, was sie in dem Film zu bieten hat, wird man vor allem am Ende des Streifens eines Besseren belehrt. Wenn sie schließlich den schwarzen Schwan darstellt, ist sie diabolisch, gefährlich. Hier zeigt sich Vielfalt in der schauspielerischen Leistung.
Black Swan ist auf den ersten Blick ein Tanz- oder Ballettfilm. Ein Grund, warum vermutlich so viele Frauen im Saal anwesend waren. Die hatten aber wohl alle etwas anderes erwartet — nämlich einen "netten" Tanzfilm. Dass ihnen ein Psychogramm einer kontrollsüchtigen, in der Adoleszenz befindlichen jungen Frau geboten wurde, war bestimmt nicht im Vorfeld bekannt. Regisseur Darren Aronofsky zeichnet die innere Zerrissenheit zwischen Unschuld und Sünde, zwischen Kontrolle und Kontrollverlust auf beeindruckende und sehr "fleischliche" Weise. In Nina will etwas herauskommen, sich den Weg durch die verkrustete Struktur, die sie von der Mutter übergestülpt bekommen hat, bahnen. Dazu kratzt sie sich bis aufs Blut. Die Fingernägel werden in Großaufnahme geschnitten, Blut fließt. Neben mir saß ein Pärchen. Das Mädel zuckte ständig angeekelt, wendete sich ab und jammerte leise ihren Freund an, wo sie denn bloß gelandet seien. Dabei war sie es, die den Film sehen wollte.
Es gibt wirklich einige "unangenehme" Szenen. Der Vorgang der Befreiung, den Nina durchläuft, ist aber auch kein Zuckerschlecken. Interessant war, so hörte man im Vorfeld, dass die Ballett-Profis in der Welt nicht besonders angetan waren von dem Film, da er doch ein sehr düsteres Bild der Ballett-Szene darstellt. So sei das alles nicht. Ha! Als ob es keine Konkurrenz gäbe. Und das Erwachsenwerden, das psychisch Labile der Hauptdarstellerin, das wird man doch wohl bitte nicht als "typisch für die Ballett-Szene" ansehen. Oder?
Ein interessanter, ein spannender Film. Es gibt einige nicht unbedingt vorhersehbare Wendungen und eine gute Hauptdarstellerin. Mir gefiel, dass an einigen Stellen die dramatische Musik des Balletts auch hinter die Bühne mitgenommen wurde und die Handlung hier blendend von der Musik untermalt wurde.
Moviejunkie Thorsten fand den Film wohl auch nicht so schlecht, obwohl er seine Probleme mit Tanzfilmen hat. Anschauen. Aber keinen Teenie-Tanz-und-Singfilm erwarten.