Filmplakat Birdman

8,5/10

"Du verwechselst Liebe mit Bewunderung." — Birdman, 2014

Birdman

Besprechung

Mitte der 1990er hat Riggan Thomson (Michael Keaton) seinen letzten großen Erfolg im Kino gefeiert. Damals war er der Superheld Birdman. Heute versucht er am Broadway ein Comeback. Er will ein Stück von Raymond Carver aufführen, in dem er der Regisseur ist und die Hauptrolle spielt. Die zweite männliche Rolle muss schnell nachbesetzt werden, die Vorpremieren stehen an.

Zum Glück kennt Lesley (Naomi Watts), die auch im Stück mitwirkt, den Schauspieler Mike Shiner (Edward Norton), der alle gleich vom Hocker haut. Kaum ist Mike an Bord, steigen die Vorverkäufe rasend an. Doch Mike ist ein schwieriger Patron. Er ist genial — aber auch arrogant und ein Arsch. Wenn er auf der Bühne steht, so sagt er selber, dann spielt er keine Rolle. Außerhalb der Bühne, da schauspielert er. Mike und Riggan geraten oft aneinander, weil es so große Unterschiede zwischen Film- und Bühnenschauspielern gibt.

Jede Vorpremiere ist von einem Desaster begleitet. Hinzu kommt die angestrengte Beziehung von Riggan zu seiner Tochter Sam (Emma Stone), die gerade frisch vom Entzug kommt. Schließlich ist da noch diese Stimme in Riggans Hinterkopf, die Stimme von Birdman, der ihm sagt, dass Riggan nichts ist auf der Bühne. Dabei könnte er doch so viel mehr sein.

Meinung von

Nach dem Anschauen des Trailers dachte ich nur Okay, der Film wird bestimmt kein kommerzieller Erfolg – aber künstlerisch wird er sicher wertvoll sein. Den will ich sehen!. Die Zeit ging ins Land, der Film gewann vier Oscars (u.a. als bester Film) und endlich konnte ich ihn sehen.

Zunächst einmal die Schauspieler. Die sind alle gut. Michael Keaton, dem man es auf seine Tage so sehr gönnt, dass er wieder eine große, wichtige Rolle spielen durfte (wenn auch nicht kommerziell erfolgreich, der Streifen lief in Hamburg nur in kleinen Kinos). Er ist intensiv dabei, den gealterten Schauspieler zu mimen. Seine Figur ist verzweifelt. Er war mal jemand, er hatte Ruhm und nun ist er unten angekommen. Die Theaterschauspielerei ist eigentlich unter seinem Niveau. Wen kann man schon erreichen mit einem Theaterstück? Als Birdman, da war er jemand. Da Riggan Angst hat, eine Fußnote in der Geschichte zu werden, muss dieses Projekt ein Erfolg werden. Er gibt all sein Geld dafür her, all seine Energie. Das Stück muss ein Erfolg werden!

Damit es Zuschauer anzieht, kommt Mike ganz gelegen. Er ist talentiert, er zieht Leute an. Mike gibt auf der Bühne alles was er hat und ist. Er ist sich dessen bewusst, dass seine Kunst die von Riggan locker überdauern wird. Wenn sich niemand mehr an den ehemaligen Leinwand-Superhelden erinnert, wird Mike immer noch auf der Bühne stehen und spielen. In Birdman geht es u.a. um genau dieses Thema: Was ist mehr wert – der Theaterschauspieler oder der Leinwanddarsteller?

Riggan konfrontiert im Laufe des Filmes die Kritikern Tabitha (Lindsay Duncan), da sie ihm direkt ins Gesicht sagt, sie würde sein Stück zerreißen. Ungesehen. Die Kritikerin begründet ihr Handeln damit, dass sie solche Leute wie Riggan verachtet. Riggan sein kein Schauspieler, sondern lediglich ein Promi.

Was wird aus uns, wenn wir keine Spuren hinterlassen können? Sam schreit es ihrem Vater ins Gesicht, dass er sich endlich daran gewöhnen solle, dass er nichts ist – wie wir alle. Doch Riggan ist besessen davon, geliebt zu werden. Dafür gibt er alles. Er ist so in seiner Traumwelt gefangen, dass er denkt, er habe tatsächlich Superkräfte, Kräfte, die sonst niemand sehen kann. Doch er wird es allen noch zeigen!

Mit-Autor und Regisseur Alejandro González Inárritu hat einen sehr intimen und intensiven Weg gewählt, die Welt von Riggan und seinen Mitstreitern am Theater zu zeigen. Gefühlt ist der Film eine einzige Einstellung ohne Schnitt. Natürlich ist das nichts Neues, das haben wir schon bei Hitchcocks Cocktail für eine Leiche gesehen, aber damals war es mehr ein Experiment und man sah die weichen Schnitte doch irgendwie immer. Diese Schnitte sind in Birdman aufgrund der heutigen Technik selbstredend besser. Moviejunkie Thorsten fand diese Art des Filmens sehr anstrengend. Ist es auch – mit gefiel es dennoch gut. Die Geschichte dreht sich um ein Theaterstück, da macht diese Art der Darbietung Sinn. Intensiv ist es auch. Das wird u.a. bewusst, als Mike und Sam auf dem Dach des Theaters sind und sich unterhalten. Die Kamera ist immer dabei, bewegt sich unaufhaltsam hin und her, geht an die Personen heran, schwenkt leicht, bleibt stehen. Das Gespräch ist nicht aus der Ferne aufgenommen, sondern an einer Stelle schräg von hinter Nortons Charakter. Das ist wirklich intim.

Der Film spielt auch mit den Medien an sich. Die Frage wer mehr wert ist, wird behandelt, aber auch was man tun muss, um heutzutage nicht ins Abseits zu geraten. Wie es scheint, hat Inárritu einen Narren an Twitter gefressen gehabt. Okay, es mag auch an der Nähe von Twitter zu einem Vogel gelegen haben. Sam jedenfalls twittert am Ende für ihren Vater. Twitter ist Macht, so der lässt der Film einen glauben. Wir sind alle egozentrisch und wollen uns profilieren, wollen alle geliebt werden. Das kann uns das Medium geben. Gleichzeit entfremdet uns das Smartphone, der Blick durch die Kamera (auch bei der Geburt von Sam, so Riggan) von unserer Umwelt. Nichts Neues, was uns Inárritu da sagt — aber immer noch passend.

Obwohl Birdman ein Drama um einen gealterten Schauspieler ist, der nicht ins Vergessen geraten will, hat der Film auch einen sehr guten, feinen Humor. Manchmal ist der Humor nicht mal leise, sondern schenkelklopfend. Somit ist Birdman beste Unterhaltung.

Der Schluss ist übrigens einer, über den man sich dann gerne noch mal mit seiner Begleitung unterhalten kann. Was der wohl bedeuten mag …? Birdman hat es tatsächlich geschafft, dass sich zwei Moviejunkies wieder mal nach einem Kinogang über den Film unterhalten haben.

Birdman hört sich schon manches Mal wie Batman an … Und dann mit Keaton! Nette Idee, Herr Inárritu.