Filmplakat Alles steht Kopf

10/10

"Ich weine Süßigkeiten." — Alles steht Kopf, 2015

Alles steht Kopf

Besprechung

Als Riley (Kaitlyn Dias) geboren wurde, war ihre erste Emotion Freude (Amy Poehler). Freude hat die erste Erinnerung geprägt, die dann als kleine leuchtende Kugel bei Riley im Gehirn abgelegt wurde. Schnell kam Kummer (Phyllis Smith) hinzu. Es folgten Angst (Bill Hader), Wut (Lewis Black) und Ekel (Mindy Kaling). Doch Freude ist die treibende Kraft. Die wichtigsten Kernerinnerungen sind von Freude.

Als die elfjährige Riley mit ihren Eltern von Missouri nach San Francisco zieht und der Umzug auch noch komplett schief läuft, gerät einiges durcheinander in Rileys Schaltzentrale. Freude gibt sich wahnsinnig viel Mühe, den Laden am Laufen zu lassen, doch als am ersten Schultag Kummer eine Kernerinnerung erzeugt, bricht die Hölle los. Freude will das Abspeichern der Kernerinnerung verhindern und wird durch einen Unfall zusammen mit Kummer aus der Schaltzentrale gesogen. Die beiden ungleichen Emotionen landen irgendwo im Langzeitgedächtnis von Riley, die auf Grund des Verlustes von Kernerinnerungen – die sind auch im Langzeitgedächtnis gelandet – anfängt ihre „Persönlichkeitsinseln“ zu verlieren. Wut, Ekel und Angst sind total überfordert mit der Situation.

Freude und Kummer müssen so schnell wir möglich in die Schaltzentrale zurück und die positiven Kernerinnerungen wieder installieren, sonst bricht alles zusammen. Doch das Langzeitgedächtnis ist riesig und ein wahres Labyrinth. Zum Glück treffen die beiden Emotionen auf den früheren, imaginären Freund Bing Bong (Richard King), der seit Rileys früher Kindheit im Langzeitgedächtnis herumwandert. Noch ist er nicht im Tal des Vergessens gelandet.

Riley wird immer unausstehlicher und kann mit ihren Gefühlen und Eindrücken nicht richtig umgehen. Bis Wut ihr eine schlimme Idee in den Kopf setzt …

Meinung von

Pixar ist bekannt dafür, sehr emotionale Filme zu machen. Im Grunde ist jeder Streifen aus dem Hause nicht nur bloße Unterhaltung, sondern ein Film, der Dinge im Zuschauer anspricht, die tief drinnen sitzen. Alles steht Kopf setzt dem geradezu die Krone auf. Hier geht es um Emotionen. Emotionaler kann es ja wohl kaum gehen! Regisseur Pete Doctor, der mich zuletzt mit Oben zum Heulen gebracht hat, schafft es auch diesmal, die Schleusen beim Zuschauer zu öffnen, so schön ist der Film.

Natürlich haben wir mehr Emotionen als diese fünf, das Studio hatte auch initial mit mehr herumexperimentiert, ist dann aber auf Freude, Wut, Kummer, Angst und Ekel zurückgegangen. Das ist weniger verwirrend für die Zuschauer. Freude ist genau das, was wir uns darunter vorstellen: die pure Freude. Hell, leuchtend, quirlig, jubelnd, juchzend, positiv. In Alles steht Kopf hat jeder Mensch (aber auch Tiere) diese fünf Emotionen im Kopf, die sein Leben bestimmen, doch bei Riley ist die Freude am ausgeprägtesten. Die Abwesenheit von Freude macht aus dem jungen Mädchen einen emotionslosen, gefühlsarmen, unausstehlichen Menschen.

Riley kommt nicht mit dem Umzug zurecht. Alle ihre positiven Erinnerungen sind mit Missouri verbunden, hier hat sie ihr Eishockeyteam und ihre beste Freundin. Nun lebt sie in einer fremden Stadt, wo sie niemanden kennt, nicht weiß, wie sie sich eingliedern soll und zu allem Übel ist der Umzugswagen nicht angekommen, so dass sie nur im Schlafsack auf dem Boden schlafen kann. Man hat ihr alles genommen. Zunächst ist sie es noch, die die gestressten Eltern aufmuntern möchte. Doch die negative Erfahrung in der neuen Schule lässt alles bei Riley durcheinander geraten. Sie verliert – ohne es zu wissen – ihre Emotionen, kann also mit der gegebenen Situation nicht vernünftig umgehen. Ihre Persönlichkeit ist bedroht. Erst verliert sie die "Verrückte Sachen machen"-Insel. Später noch andere Inseln, die sie als Person ausmachen. Der Zuschauer muss mit ansehen, wie das heitere junge Mädchen immer abgestumpfter und gruseliger wird. Freude muss das ebenfalls mitansehen. Sie will helfen, doch der Weg in die Schaltzentrale ist lang und schwer.

Alles steht Kopf zeigt uns, dass Freude eine wichtige Emotion ist. Und wäre es nicht schön, hätten wir nur freudige Erinnerungen? Doch im Leben geht es nie glatt, das muss auch Riley erfahren. Freude versucht mit aller Kraft das alte Bild des Mädchens wieder herzustellen, doch die Schäden sind zu stark. Doctor und Co-Regisseur Ronnie Del Carmen zeigen uns, dass es nicht immer nur Freude im Leben geben kann. Der Kummer, diese traurige, blaue Gestalt, ist auch Teil von uns und wir müssen den Kummer, den Schmerz, ebenfalls zulassen, damit wir gesund bleiben. Nicht mehr zeigt uns Alles steht Kopf auf seine wundervolle, fantasiereiche, schöne Weise. Es ist gesund traurig zu sein. Die Trauer darf man nicht ignorieren, wie es Freude im Film anfangs immer macht, wenn sie Kummer in eine Ecke stellt und ihr verbietet, irgendwas anzufassen.

Wir sehen zwei Welten: die äußere von Riley, wo die Figuren noch "realistisch" sind und die innere Welt mit auf Formen und Farben basierenden Figuren. Beide Welten verschmelzen zu einem tollen Film.