Filmplakat Zwölf Uhr mittags

8,5/10

"Wieviele Särge haben wir noch?" — Zwölf Uhr mittags, 1952

Zwölf Uhr mittags

Besprechung

Es ist ein heißer Tag in der kleinen Stadt Hadleyville. Marshal Will Kane (Gary Cooper) hat gerade Amy Fowler (Grace Kelly) geehelicht, als ihn ein Telegramm erreicht. Frank Miller (Ian MacDonald), ein Mörder, den Kane vor fünf Jahren gefasst hat und der nicht gehängt, sondern zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, ist wieder auf freiem Fuß. Franks Bruder Ben (Sheb Wooley) sowie die beiden Ganoven Jack Colby (Lee Van Cleef) sowie Jim Pierce (Robert J. Wilke) sind schon in der kleinen, verträumten Westernstadt angekommen. Frank soll um 12 Uhr mit dem Zug ankommen.

Will hat den Marshal-Stern abgelegt, um mit seiner jungen Frau ein neues Leben anzufangen. Er und Amy sind schon auf dem Weg raus aus Hadleyville, als Kane umdreht. Amy versteht das nicht und drängt ihn zur Weiterfahrt. In der Stadt angekommen droht die Jungvermählte damit ihren Mann zu verlassen, wenn er nicht mitkäme. Kane bleibt. Er will einen Haufen Hilfssheriffs um sich scharen und der Miller-Bande die Stirn bieten.

Niemand hilft ihm. Kane hat noch etwa eine Stunde Zeit, um Unterstützung zu finden. Niemand stellt sich ihm zur Seite. Deputy Marshal Harvey Pell (Lloyd Bridges), der Kanes Nachfolge antreten will und dabei übergangen wurde, macht Kane den Vorwurf etwas mit seiner Nicht-Beförderung zu tun gehabt zu haben. Später beschuldigt er Kane noch, dass der es nicht verkraftet hätte, dass nun Pell mit der Saloon-Besitzerin Helen Ramírez (Katy Jurado) zusammen sei und nicht Kane. Alles idiotische Beschuldigungen. Das Resultat bleibt das Gleiche: Kane findet nirgendwo in Hadleyville Hilfe. Er bittet diverse Leute, doch jeder findet einen Grund ihm die Unterstützung zu versagen. Alle wissen, was für ein guter Marshal Kane war, was er alles für die Stadt getan hat — niemand will helfen. Die Mittagszeit kommt immer näher.

Meinung von

Als ich den Film das erste Mal sah, hatte ich danach ein Bedauern: Wieso hatte ich den Film nicht schon früher gesehen? Was für ein großartiger Streifen! Western waren immer voller Action, wilden Schießereien, Pferden und weiten Landschaften. Regisseur Fred Zinnemann ist einen komplett anderen Weg gegangen. Zunächst einmal: Wir schreiben das Jahr 1952, im Kino laufen schon seit einiger Zeit Farbfilme. Western laufen in Farbe. Aber Zinnemann drehte High Noon in Schwarz-Weiß. Wo sonst blauer Himmel und weiße Wattewolken zu sehen sind, ist der Himmel bei Zinnemann blank, wolkenlos, ohne Tönung oder Farbverlauf. Die weiten Landschaften vermisst man hier auch. Ganz am Anfang gibt es noch die drei Ganoven auf ihren Pferden. Danach spielt der Film hauptsächlich in einer typischen Western-Stadt.

Autor Carl Foreman hatte die Idee zu der Geschichte. Man kaufte die Rechte an dem Pulp-Western "The Tin Star" von John W. Cunningham. Eigentlich nur, weil man jedwede Rechtsstreitereien vermeiden wollte. High Noon und die Kurzgeschichte sollen nicht viel gemeinsam haben. Foreman wusste später auch nicht, ob er die Kurzgeschichte eventuell vorher gelesen hatte und seine Idee daher rührte. Lieber auf der sicheren Seite sein, lautete das Motto.

Bei anderen Dingen war man sich hingegen nicht so sicher. Gary Cooper war damals 51 Jahre alt. Viel zu alt, wie viele meinten. Er hatte zuvor zwei Flops hingelegt. Niemand wollte dieses Eisen anfassen. Es wurden diverse andere Schauspieler gefragt, entweder konnten sie nicht oder sie sagten direkt ab. Wo sich Produzent Stanley Kramer jedoch sicher war, das war die Besetzung mit Grace Kelly. Die damals 22-Jährige war seit zwei Jahren im Geschäft, aber bis dahin in keiner großen Produktion zu sehen gewesen. Kramer sah sie, lud sie zum Vorsprechen ein und hatte den Vertrag schon dabei. Zinnemann fand die Kelly auch hinreißend, hatte aber Bedenken, ob der Altersunterschied zwischen den Hauptfiguren von 30 Jahren nicht negativ auffallen würde.

Die Geschichte handelt von Kane, dem besten Marshal, den die Stadt jemals hatte. Bevor Kane kam, herrschte Chaos. Frauen konnte nicht unbehelligt über die Straßen gehen. In der Bar gab es immer Schlägereien. Kane hat aufgeräumt. Als er nun eigentlich fliehen sollte, bleibt er am Ort. Er wird immer wieder gefragt warum. Jeder in der Stadt rät ihm schnellsten abzuhauen, so lange Miller noch nicht im Zug angekommen ist. Kane bleibt.

Er bleibt, weil es das Richtige ist. Er kann nicht den Schwanz einklemmen und abhauen. Das ist seine Stadt, sein Werk. Das lässt er sich nicht von Miller und seiner Band kaputt machen. Was er nun braucht, das ist Unterstützung. Den Großteil des Films sehen wir Cooper, wie er durch die Straßen läuft, immer auf der Suche nach Unterstützung. Wir sehen ihm an, wie er langsam verzweifelt. Wieso hilft ihm niemand? In der Kirche gibt es wahnsinnig positive Reden auf Kane – und doch ist niemand bereit ihm zu helfen.

Der Western polarisierte damals Amerika. Zum einen war man Anderes gewohnt und wollte das weite Land und die Helden sehen. Schwerer wog bei damaligen Kritiken, dass High Noon als "antiamerikanisch" angesehen wurde. Bitte was? In den 1950er war die Hexenjagd von McCarthy im vollen Gange. Jeder wurde als Kommunist und damit als Feind Amerikas angesehen. In Hollywood tagte das "Komitee für unamerikanische Umtriebe", oder wie es im Original hieß, das House Committee on Un-American Activities, abgekürzt HCUA. Autor Trumbo war ein prominentes Opfer dieses Komitees. So auch Foreman. Wer in die Mühlen des Komitees geriet, der wurde – wie Kane – von seinen Freunden verlassen. Den HCUA-Opfern kam niemand zur Hilfe.

Das schimmert bei dem Film durch. Nicht, wenn man ihn sich heutzutage anschaut. Aber damals war das schon eine Art "aggressiver Unterton", den High Noon anstimmte. Wenn man das aber nicht weiß, ist High Noon trotzdem ein wahnsinnig gut gemachter Film. Das Skript wurde nach dem ersten Entwurf genommen. Zinnemann hat alles genau geplant und der Film war in 28 Tagen abgedreht. Da passt einfach alles!

Cooper, den ich eigentlich noch nie so richtig mochte, überzeugt absolut in dem Streifen. Grace Kelly ist kühl, was sie sein sollte. Ihre Amy ist "die neue Zukunft", ein blankes Papier. Kane ist bereit diese Zukunft anzugehen. Er will Hadleyville verlassen und seine alte, harte, gewalttätige Vergangenheit zurücklassen. Doch nicht um jeden Preis. Gegen Miller und Co. muss er die Stadt verteidigen. Das ist das einzig richtige Verhalten in seinen Augen. Und die Vergangenheit ist manchmal einfach nicht so einfach loszulassen.

Der Film zeichnet sich auch durch die starken Frauenbilder aus. Amy hängt nicht wie eine treue, frisch vermählte Ehefrau an Kanes Rockzipfel. Sie stellt ihm ein Ultimatum und ist bereit das durchzusetzen. Sie ist so stark, dass sie die frühere Geliebte ihres Mannes, Helen, besucht. Sie geht stolz und offen auf diese große Frau zu. Helen, eine Mexikanerin, ist nicht wie die beiden Indianer, die vor dem Saloon stehen. Sie ist kein Beiwerk. Sie ist eine erfolgreiche und geachtete Geschäftsfrau. Das war damals auch neu. Helen weiß, warum Kane bleibt, Amy weiß es nicht. Amy ist das Neue, das Unentdeckte, wohingegen Helen weiß, wie es noch in Kane ausschaut.

Ich habe schon viel geschrieben und über diesen Film könnte man noch viel mehr schreiben. Stattdessen sage ich lieber: Anschaubefehl! Aber sowas von.