Filmplakat Der Mann im weißen Anzug

6,5/10

"Würdest du dein Leben an diesen Faden hängen?" — Der Mann im weißen Anzug, 1951

Der Mann im weißen Anzug

Besprechung

England ist gerade im Begriff sich nach dem zweiten Weltkrieg wieder zu erholen. Die Wirtschaft kommt langsam in Schwung. Fabriken und ihre Produkte sind das Rückgrat des aufkommenden Wohlstands. Der geniale Chemiker Sidney Stratton (Alec Guiness) ist eben bei Michael Corland (Michael Gough) rausgeflogen. Er war in der Stofffabrik als Hausmeister angestellt, hat sich aber in einer Ecke des Labors damit beschäftigt eine unzerstörbare synthetische Faser herzustellen.

Sidney fängt daraufhin in der Stofffabrik von Alan Birnley (Cecil Parker) an. Hier schafft er es durch Zufall, einen Posten im Labor zu ergattern. Die Tochter des Firmeninhabers, Daphne (Joan Greenwood), erkennt Sidney und will ihren Vater warnen. Doch der hört nie auf seine Tochter. Als es Sidney endlich gelingt, die unzerstörbare und Schmutz abweisende Kunstfaser herzustellen, droht ihm erneut ein Rauswurf. Daphne kann ihren Vater davon überzeugen, dass Sidney etwas geschaffen hat, das ihn reich machen könnte.

Sidney bekommt nun ein ganzes Labor für sich und seine Experimente. Die gehen zunächst nicht immer gut aus. Die Presse bekommt sogar davon Wind, dass es bei Birnley in der Fabrik kürzlich öfters zu Explosionen gekommen sein soll. Als der Chemiker, der einfach einer genialen Idee hinterher jagt, an sein Ziel gekommen ist, muss er feststellen, dass er sich damit Feinde gemacht hat.

Meinung von

Die ausführenden Ealing Studios haben zwischen 1947 und 1958 den britischen Humor neu definiert. In dieser Zeit sind Klassiker wie Adel verpflichtet, Ladykillers oder eben Der Mann im weißen Anzug entstanden. Alle drei genannten Filme – rein zufällig – mit Alec Guiness. Der Die Brücke am Kwai-Star spielte übrigens insgesamt in sechs Earling Studios-Filmen mit.

Der Streifen basiert auf einem Theaterstück von Roger MacDougall. Wir sehen einen genialen Chemiker, der eine Idee hat. Um diese Idee zu verwirklichen geht er Risiken ein. Er schummelt sich in Fabriken ein, besetzt heimlich Raum im Labor und fälscht Unterschriften, um an die benötigten Chemikalien zu kommen. Sidney ist davon überzeugt, dass seine Entdeckung ein Segen für die Menschen ist. Im Grunde hat er eine altruistische Haltung. Als der alte Birnley das Potenzial in der Faser entdeckt und Sidney alle finanziellen Mittel zur Verfügung stellt, die er braucht, da ist der Chemiker natürlich im Himmel.

Als dann aber die Faser da ist und Sidney in einem weißen, im Dunkeln sogar leuchtenden Anzug herum läuft, ist das dem Ober-Stofffabrikant Sir John Kierlaw (Ernest Thesiger) ein Dorn im Auge. Wenn diese Faser wirklich unzerstörbar ist, dann will natürlich niemand mehr Kleidung kaufen. Die Fabrikbosse schließen sich zusammen, wollen Sidney die Idee abkaufen und dann begraben. Doch der bleibt standhaft. Er erhofft sich Hilfe von seinen alten Kollegen aus der Arbeiterschicht. Bertha (Vida Hope) hat ihn in den Anfangstagen bei Birnley unter ihre Fittiche genommen. Doch auch die sind alle gegen Sidney.

Der Mann im weißen Anzug flieht. Daphne kann begrenzt helfen, doch danach ist er nur noch auf der Flucht. Erst als er seiner alten Hauswärtin Miss Johnson (Joan Harben) ihm sagt: Warum könnt eigentlich ihr ... ihr jungen Leute nicht alles so lassen wie die Natur es geschaffen hat? Was wird aus meiner kleinen Wäscherei, wenn es nichts mehr zu waschen gibt? – erst da begreift Sidney, was seine Entdeckung für Konsequenzen hat.

Der Film handelt von der Frage, wie weit Wissenschaft gehen darf. Darf sie an Grenzen gehen, die am Ende der Menschheit schaden? Im Original sagt Miss Johnson übrigens nicht "junge Leute", sondern "Wissenschaftler". Da wird es deutlicher, was hier gemeint ist. Alec Guiness steht nach der Aussage wie von einem Vorschlaghammer getroffen. Man sieht ihm an, dass bei ihm der Groschen gefallen ist. Er wollte nur Gutes tun, schadet aber am Ende mit seinem Wissensdurst nur.

Einige sehen in dem Film nicht nur die moralische Frage in Richtung Wissenschaft. Man kann Der Mann im weißen Anzug auch als Parabel für Großbritannien nach dem Weltkrieg sehen. Angeblich war man auf der Insel nicht ganz sicher, in welche Richtung es nun gehen solle: Fortschritt oder "alte Traditionen"?

Der Mann im weißen Anzug ist lustig, hat aber eben auch einen gewissen, düsteren Unterton. Er ist keinesfalls mit so einer grandiosen, köstlichen Komödie wie Adel verpflichtet zu vergleichen. Lustig sind zum Beispiel die Versuche seine Formel erneut nachzukochen. Labor-Chef Hoskins (Henry Mollison) findet sich plötzlich in einer kleinen Besenkammer wieder. Derweil bombt Sidney zusammen mit seinem Gehilfe Wilson (John Rudling) das Labor in den Krieg zurück.

Und dann ist da noch das besondere Geräusch, dass die Maschine von Sidney macht ...