Besprechung
Cassius „Cash“ Green (LaKeith Stanfield) fängt bei RegalView, einer Telemarketing-Firma, an. Der Afroamerikaner hat keine gute Quote. Irgendwie will ihm niemand etwas abkaufen. Erst als ein älterer Kollege ihm den Rat gibt seine „weiße Stimme“ zu benutzen, macht Cassius dickes Geld. Während seine Kollegen unter der Führung von Squeeze (Steven Yeun) einen Betriebsrat bilden wollen, um gegen die schlechte Bezahlung in dem Call-Center anzugehen, steigt Cassius zum Power-Caller auf. Das kollidiert unter anderem mit der Liebschaft zu seiner Freundin Detroit (Tessa Thompson).
Detroit ist Künstlerin, trägt die wildesten Ohrringe und ist außerdem bei „Left Eye“ aktiv. Dabei handelt es sich um eine Gruppierung, die etwas gegen die Firma WorryFree von Steve Lift (Armie Hammer) hat. WorryFree garantiert ein permanentes Einkommen, Unterkunft und Essen. Klingt gut? Ist aber im Grunde eine Form der Sklaverei.
Der gute Cassius nutzt derweil seine „Kraft“, indem er den Superreichen Waffen oder Arbeitskräfte am Telefon verhökert. Sein Gewissen und seine Seele hat er damit aufgegeben. Erst als ihm Steve Lift höchstpersönlich ein Angebot macht, bricht Cassius mit seinem neuen, wohlhabenden Leben.
Meinung von Nils
Ah, einer dieser kleinen, völlig unbekannten, schrägen Filme. Ganz wie ich sie mag. Autor und Regisseur Boots Riley entführt uns in eine absolut bizarre Welt. Cassius wirkt zunächst wie der Durchschnittsloser. Er lebt in der Garage seines Onkels Sergio (Terry Crews) und lügt wie gedruckt, um an diesen beschissen bezahlten Kackjob zu kommen. Leute anrufen und ihnen etwas verkaufen – was sie wahrscheinlich nicht einmal brauchen –, ist ein Kackjob.
Boots Riley spielt mit dem Thema Rassismus auf humoristische Weise. Ein Schwarzer, der einem etwas am Telefon verkaufen will? Nein danke. Da legt jeder auf. Erst als Cassius von Langston (Danny Glover) den Rat erhält, so zu sprechen, als würde ihn nichts etwas angehen, als würde er keine Sorgen haben, als würde er der Herr der Welt sein – also soll er seine weiße Stimme einsetzen. Denn Weiße haben ein gutes Leben, Schwarze nicht. Im Original wird Cassius von David Cross gesprochen. Also wenn er seine weiße Stimme benutzt. In der obersten Etage von RegalView wird Cassius von Mr. _____ (Omari Hardwick) unter seine Fittiche genommen. Mr. _____ ist eine ganz große Nummer. Auch er ist Afroamerikaner, der immer in seiner weißen Stimme (gesprochen von Patton Oswalt) spricht.
Rassismus ist ein Thema in Sorry to Bother You. Ein weiteres sind die miesen Verhältnisse, unter denen Menschen sich ihr Brot verdienen müssen. Telemarketing-Leute sind schon eine Art Sklaven. Sie müssen sich immer an das Skript halten, eigene Gedanken sind nicht erlaubt. Jeder hat seinen kleinen Käfig, in dem er telefoniert. Boots Riley geht einen Schritt weiter. Mit WorryFree bringt er eine völlig absurde Idee auf die Leinwand. Menschen lassen sich freiwillig einsperren, leben in kleinen Zellen, schlafen zu viert in Etagenbetten und den Rest des Tages arbeiten sie. Das ist die modernste Form der Sklaverei. Gründer von WorryFree ist Steve Lift. Man könnte auch Steve Jobs in der Figur sehen ... Lift ist der Kapitalist in Reinkultur. Er weiß, dass billige Arbeitskräfte benötigt werden und er liefert sie.
Lift geht sogar noch einen Schritt weiter. Damit wird der Film dann völlig durchgedreht. Lift will noch bessere, stärkere, ausdauerndere Arbeiter haben. Deshalb züchtet er Wesen halb Mensch, halb Pferd. Equisapien heißt diese Mischung. Diese Wesen leiden extrem. Cassius will Lift ans Kreuz nageln. In der Welt, in der Sorry to Bother You spielt, gibt es gefühlt nur Werbesendungen für WorryFree, eine Spielshow, bei der die Kandidaten die Scheiße aus dem Leib geprügelt wird und nebenbei noch Nachrichten. Cassius geht zu der Show, lässt sich übelst zurichten, nur damit er ein Video von den Equisapien zeigen kann – die gewünschte Reaktion bleibt aus. Squeeze beschreibt es so schön: Wenn man dir 'n Problem zeigt, aber du keine Ahnung hast wie du es lösen kannst, dann beschließt du einfach, dich an das Problem zu gewöhnen.
Sorry to Bother You ist eine abgedrehte, wilde Sozialsatire. Eine Anklage von unmenschlichen Arbeitsverhältnissen und die Gier einiger Menschen ("Cash" Green als Anspielung an den guten, alten Dollar), die dafür alles machen und jede Menschlichkeit fahren lassen. LaKeith Stanfield spielt den Loser, der zum Power-Menschen aufsteigt und dann – zum Glück – seine Gewissen wiederfindet sehr schön.
Wer schräge Filme mag und einen Hauch mit Menschlichkeit noch in sich hat, dem sei dieser Film empfohlen. Und als Empfehlung oben drauf, sage ich, dass man den im Original schauen soll. Herrlich komisch.