Besprechung
Er ist jung, sieht gut aus und setzt sich für die Belange der kleinen Leute ein. Eines Tages steht der Wahlkampfmanager Marvin Lucas (Peter Boyle) vor der Tür von Bill McKay (Robert Redford) und möchte den jungen Mann in die Politik bringen. Der demokratische Spitzenkandidat hat gerade verloren und nun sucht man einen Ersatz, jemanden, der noch ein paar Punkte bei den Wahlen bringen könnte. Bill McKay soll sich zur Wahl zum Senator in Kalifornien stellen. Der hat damit wenig am Hut, wird dann aber doch von Marvin überredet. Marvin lässt McKay freie Hand. McKay kann sagen und tun, was er möchte – er wird eh verlieren. Das garantiert ihm Marvin.
So enthemmt macht sich McKay daran in den Wahlkampf gegen den alten Republikaner Senator Crocker Jarmon (Don Porter) zu ziehen. Jarmon steht für amerikanische Werte – wie z.B. die Industrie. McKay hingegen ist die Umwelt wichtig. Jarmon sieht in dem blonden Jüngelchen keine Konkurrenz. Allerdings schafft es McKay durch seine frische und unverblümte Art, immer mehr Leute auf seine Seite zu ziehen.
Die Werte für McKay steigen und damit ändert sich auch der Wahlkampf.
Meinung von Nils
Großartiger Film. Bill McKay ist voller Tatendrang. Er will Dinge bewegen und nicht dem Establishment überlassen. Er weiß, dass man in der Politik korrupt und fern vom Volk lebt. Deshalb ist er bisher auch nicht auf die Idee gekommen, in der Politik mitzumischen. Er ist nicht mal als Wähler registriert. Politik macht doch keinen Sinn. Nicht so, wie sie gelebt wird.
Als er dann aber einen Freifahrschein bekommt, ist er an Bord. McKay kann sagen und tun, was er will. Er bekommt volle Unterstützung - auch finanzielle - durch die Demokraten. Die sind sich sicher, dass sie gegen den alten Haudegen Jarmon eh keine Chance haben. Also kann man auch mal ruhig auf die Kacke hauen. Was die Demokraten wollen, ist lediglich nicht so haushoch zu verlieren. Man hat ja noch ein wenig Würde. Lucas Marvin hat die allerdings nicht. Sein Job ist, eine Person aufzubauen. Dass diese am Ende fallen gelassen wird, interessiert ihn nicht sonderlich.
Bill McKay geht also ans Werk. Erst holperig, dann immer sicherer. Die Werbespots sind nicht ganz nach seinem Geschmack. Bill möchte etwas mitteilen, aber die Menschen hören eh nicht wirklich zu. Markig müssen die Sprüche sein, schön die Bilder. So steigt Bill langsam in der Gunst der Bürger. Er bekommt sogar die ersehnte Debatte mit Jarmon. Der war sich lange sicher, dass er gegen dieses unbeschriebene Blatt auf der Politikbühne locker gewinnen würde. Nun muss er sich doch "herablassen". Hier bricht Bill einmal, mehr aus dem von der PR-Abteilung aufgezwängten Politik-Blabla aus. Diese Natürlichkeit bringt ihn nach vorne.
Dann das große Finale! Bill gewinnt unverhofft. Nun steht er da. Er ist im Politik-Zirkus gefangen. Was soll er machen? Damit hat niemand gerechnet. Was für ein fantastisches Ende.
Die Realität hat uns mittlerweile eingeholt. Als Trump Präsident der USA wurde, hatte vorher auch niemand damit gerechnet, dass der gewinnen würde. Völlig unmöglich. Wer wäre so dumm und wählt den? Und dann war er da. Vermutlich genau so überrascht wie Bill McKay am Ende von Der Kandidat. Allerdings ist Trump nicht mit Charisma und frischen Ideen an die Macht gekommen, sondern mit Hass, Furcht und Bigotterie. Als der Typ die Wahl gewann, musste ich unweigerlich an Bill McKay - Der Kandidat denken.