Besprechung
Phillip (Farley Granger) und Brandon (John Dall) haben eben einen Mord an einem Freund begangen. Die Leiche lassen sie in einer Truhe verschwinden. Brandon ist ganz aufgeregt und fühlt sich euphorisch, wohingegen Phillip sich elend fühlt. Die beiden Männer sind alte College-Kollegen und wohnen zusammen. Brandon ist der festen Meinung, es gäbe nutzvolle Menschen und Abschaum. Den Abschaum, die nicht wichtigen Menschen, dürften von den wichtigen Menschen, den nützlichen Menschen, auch umgebracht werden. Das ist keine Frage. Und Brandon sieht sich klar in der Rolle der Übermenschen.
Mit der Tat ist der Abend noch nicht zu Ende. Die jungen Männer geben eine Party. Eingeladen sind die Eltern des Opfers, dessen Freundin Janet (Joan Chandler), ihren ehemaligen Freund (Douglas Dick) sowie ihr alter College-Professor Rupert Cadell (James Stewart). Brandon ist sich sicher, dass er das perfekte Verbrechen begangen hat. Niemand wird ihm jemals auf die Schliche kommen und er testet diese Theorie an diesem Abend. Eigentlich ist er sich absolut sicher, dass auch auf der Party niemand hinter das dunkle Geheimnis kommen wird. Lass die Gäste doch von der Truhe essen, in der die Leiche liegt. Das macht das Leben nur spannender.
Der Einzige, der Brandon und Phillip gefährlich werden könnte, ist Cadell. Wobei … Brandon war kurz davor, Cadell ebenfalls in den Plan miteinzubeziehen. Immerhin hat er die Theorie von den nützlichen und umnützlichen Menschen und was man mit ihnen machen dürfte, von seinem alten Lehrer Cadell. Doch irgendwie sind dessen Ausführungen nicht mehr so radikal wie einst. Cadell beobachtet und entdeckt Ungereimtheiten im Verhalten seiner ehemaligen Schüler.
Meinung von Nils
Mit Cocktail für eine Leiche hat Alfred Hitchcock ein doppeltes Experiment gewagt. Zum einen soll der Film seine erste Produktion für seine eigene Firma Transatlantisch Pictures sein und zum anderen hat er das Theaterstück von Patrick Hamilton so gedreht, als wäre es ein Kammerstück auf der Bühne. Wir sehen nur das Wohnzimmer von Brandon und Phillip, wo der Mord durchgeführt wurde und die Party hauptsächlich stattfindet. Die Figuren gehen zwischendurch noch in den Flur und von dort in die Küche. Doch das Wohnzimmer ist die Hauptbühne. Der Film ist also – wie später Das Fenster zum Hof auch – räumlich begrenzt. Hitchcock ging noch einen Schritt weiter und ließ seine Schauspieler das Stück proben, um es dann in bis zu zehnminütigen Sequenzen am Stück zu drehen. Zwischen den Filmrollenwechseln ließ er die Kamera oft z.B. auf den Rücken eines Protagonisten fahren (Wechsel) und dann wieder vom Rücken fort. Das sind die unsichtbaren Schnitte. Es gibt aber auch wenige harte Schnitte.
John Dall ist kaltherzig und wahnsinnig. Er verleiht seiner Figur eine gehörige Portion Übermut und Größenwahn. Brandon hält sich für einen Übermenschen, der über minderwertige Menschen verfügen kann, wie er es möchte. Er selber ist natürlich hochbegabt und extrem wichtig für das Überleben der Menschheit. Einen Mord darf er jederzeit begehen. Das ist eine fixe Idee für ihn und zudem Kunst. Der Mord an seinem alten Schulkameraden war unvermeidlich. Das ist gut gespielt. Manchmal musste ich daran denke, Dall könnte der Vater von Agent Smith aus Matrix sein … So wahnsinnig John Dall auch gespielt hat – viele Folgerollen sollte er nicht mehr haben.
Der "nette Mann von nebenan", James Stewart, spielt in Cocktail für eine Leiche sehr zurückhaltend. Seine Figur beobachtet, liefert sich lustige Sprachduelle mit der Tante des Opfers, aber sonst bleibt er recht harmlos. Erst als er den Anwesenden seine Theorie von den Über- und den Untermenschen erklärt und dass es eine Jagdsaison auf die Untermenschen geben solle, da wird er böse. Allerdings kommt das alles zu bissig herüber. Man nimmt ihm nicht wirklich ab, dass er es ernst meint. Vielmehr wirkt es wie eine spitze Satire, wie etwas, dass er sagt, nur um zu provozieren. Ein Partyding eben.
Erst als er Cadell am Ende den Männern auf die Schliche kommt und Brandon sich noch verteidigt, gar Cadells einstige Theorien anführt, wird Cadell „nüchtern“. Er erzählt, er habe nun, durch die Tat von Brandon und Phillip, erfahren, dass jeder Mensch ein Anrecht auf Leben habe. Nur hat man Cadell nicht zuvor abgenommen, dass er wirklich hinter dieser Theorie stand, von der er nun abfällt.
Cocktail für eine Leiche war kein Erfolg. Auch ich muss sagen, dass ich ihn lange nicht (erneut) sehen wollte. Er ist durch seine Erzählweise etwas anstrengend. Nicht viel. Das Spiel von John Dall ist sehenswert, Stewart bleibt blass und dass Phillip so sehr den Kopf verliert ist auch etwas schade. Wer Hitchcocks Gesamtwerk sehen möchte, kommt um diesen Streifen nicht herum – aber er ist wahrlich nicht das Beste, was der Meister des Suspense zu bieten hatte.