Besprechung
Ende des 19. Jahrhunderts wird der junge Anwalt Jonathan Harker (Keanu Reeves) damit beauftragt, in die Karpaten zu fahren, um für den Grafen Dracula (Gary Oldman) den Kauf einer Immobilie in London notariell zu beglaubigen. Dafür muss Harker seine Verlobte Mina Murray (Winona Ryder) zurücklassen.
In dem Schloss von Dracula angekommen, bedeutet für Harker nicht, nur den Vertrag zu besiegeln und dann wieder nach Hause zu fahren. Der Graf besteht darauf, den jungen Mann längere Zeit dazubehalten. Schließlich reist der unheimliche alte Mann nach London – Harker wird derweil von drei jungen Frauen im Schloss von Dracula festgehalten.
Während ihr Jonathan in der Ferne weilte, ist Mina bei ihrer wohlhabenden Freundin Lucy Westenra (Sadie Frost) untergekommen. Diese will sich mit Lord Arthur Holmwood (Cary Elwes) vermählen. Allerdings leidet die Dame unter Schlafwandeln. Was niemand weiß, der dunkle Graf ist in London und lockt Lucy jede Nacht zu sich, um mit ihr zu buhlen und um sich an ihrem Blut zu laben.
Zwar holt sich Dracula, mittlerweile stark verjüngt und attraktiv, sein Blut bei Lucy, doch sein Herz begehrt Mina, die ihn an seine verlorene Liebe, seine Ehefrau Elisabeta erinnert, die er vor über vierhundert Jahren verlor. Dracula gibt sich als Prinz Vlad aus und Mina und der Prinz kommen sich näher. Auch weil es von Jonathan kein Lebenszeichen gibt. Vor allem jedoch, weil Dracula eine ungeheure Anziehung auf Mina ausübt.
Da es Lucy immer schlechter geht, ist der befreundete Arzt Dr. Jack Seward (Richard E. Grant) um sie besorgt. Wie es scheint, hat sie alle Anzeichen einer Blutarmut, doch wie das zustande gekommen konnte, bleibt ihm ein Rätsel, weshalb er seinen Lehrer und Mentor Professor Abraham Van Helsing (Anthony Hopkins) nach London holt. Dem fallen die beiden Bissmale an Lucys Hals auf. Er weiß, was das bedeutet: ein Vampir geht um. Den gilt es zu vernichten.
Meinung von Nils
Es gab schon viele Verfilmungen vom Vampir aller Vampire. Die erste Verfilmung kam gute 70 Jahre zuvor mit Murnaus Nosferatu in die Kinos. Tatsächlich sollte sich Regisseur Francis Ford Coppola auch an einigen Ideen Murnaus bedienen. Vor allem, wenn Jonathan beim Grafen im Schloss ist, nutzt Coppola das Schattenspiel aus, um das Übernatürliche Draculas zu betonen, wie es auch schon Murnau einst tat. Lange Schatten, Schatten, die vom Ursprung losgelöst und ein Eigenleben zu haben scheinen, lassen Dracula so unheimlich wirken. Zudem stellte Coppola die Einstellung nach, in der sich Max Schreck als Nosferatu widernatürlich in seinem Sarg aufstellt. Auch Gary Oldman schnellt entsprechend aus seiner Kiste auf. Interessant ist auch, dass Van Helsing den Namen Nosferatu in den Mund nimmt.
Davon abgesehen hat Coppola nicht mehr viel vom Original-Film übernommen, dafür um so mehr vom Original-Buch. Seine Verfilmung hält sich wohl noch am nächsten an die Buchvorlage. Im Buch schwafelt Stoker über lange Seiten und gibt Informationen preis, die nicht wirklich spannend oder interessant sind. Das konnte Coppola selbstredend nicht 1:1 umsetzen. Seine Erzählung ist gestrafft, was das anbelangt.
Er erzählt die Geschichte eines Monsters, aber auch eines Liebenden. Ganz am Anfang zeigt er die Entstehungsgeschichte Draculas. 1462 war er ein strenggläubiger Verteidiger seines Landes gegen die Invasion der Türken. Schon alles verloren, trieben die feindlichen Truppen mit einer Finte seine Frau Elisabeta in den Freitod. Daraufhin entsagt sich der Graf seinem Gott und ist fortan ein untoter Blutsauger. Als er fast vierhundert Jahre später bei Jonathan Harker ein Bild dessen Verlobte sieht, erkennt er in dem Bildnis seine Elisabeta. Er setzt alles daran, Mina auf seine Seite zu ziehen.
Zwar ist Dracula ein Monster, doch vor allem wenn es um die Verwandlung Minas geht, zeigt sich doch, dass er auch ein Herz hat, das der Liebe fähig ist. Er zögert, will er Mina doch nicht zu einem Leben ohne Tod verdammen.
Dem Film schadet die Tatsache, dass ausschließlich im Studio gedreht wurde. Man erkennt überall die Kulissen, nichts wirkt natürlich. Das ist sehr schade. Ebenfalls ist die Figur des Jonathan Harker mit Keanue Reeves schlecht besetzt. Reeves hat nun einmal nur einen Gesichtsausdruck und der passt nicht zum liebenden, besorgten Freund. Coppola bestätigte später, er wollte einen "heißen, jungen Schauspieler", der etwas für die damaligen, jungen Mädchen bieten sollte. Im Nachhinein bereute Coppola seine Entscheidung. Gary Oldman hingegen ist eine brillante Besetzung. Man sollte sich Bram Stokers Dracula im Original anschauen, nur dann kommt die Kraft Oldmans zum Vorschein.
Neben der Geschichte um die ewige Liebe, dreht sich Bram Stokers Dracula auch sehr offen um die Sexualität an sich. Lucy und die drei Frauen von Dracula sind barbusig zu sehen, Mina liest das Kamasutra, wir sehen, wie ein Wolf mit Lucy Sex hat. Wenn Mina gen Ende das Blut von Draculas Brust leckt, bekommt der beinahe einen Orgasmus. Damit sind wir bei dem Punkt, den jeder Möchtegern-Psychologe und -Kritiker großspurig feststellt: Beim Vampirismus geht's um Sex.
Bram Stokers Dracula ist eine buchgetreue Umsetzung mit Staraufgebot, aber die schlechten Kulissen lassen die Illusion leider etwas kränkeln. Im Studio musste Coppola übrigens aus Kostengründen drehen, was ihm vom Studio vorgeschrieben wurde. Bram Stokers Dracula gewann drei Oscars: beste Kostüme, beste Effekte und bestes Makeup.