Besprechung
L.B. „Jeff“ Jeffries (James Stewart) ist Fotograf mit gebrochenem Bein. Seit nun schon sechs Wochen hockt er an den Rollstuhl gefesselt in seiner Wohnung. Nur die Krankenschwester Stella (Thelma Ritter) und Jeffs reiche Freundin Lisa Fremont (Grace Kelly) schauen bei ihm täglich vorbei. Ansonsten hockt er vor dem Fenster döst vor sich hin oder schaut in den Hinterhof. Hier beobachtet er die verschiedensten Menschen und deren Leben.
Ein Fenster erweckt seine besondere Aufmerksamkeit. Da wohnt ein Mann mit seiner kranken, bettlägerigen Frau. Nach einem Streit zwischen den Beiden kann Jeff mitten in einer gewittrigen Nacht beobachten, wie der Nachbar mehrfach mit seinem Musterkoffer die Wohnung verlässt. Am nächsten Tag ist die Frau nicht mehr da. Jeff überkommt der grausame Gedanke, der Mann könne seine Frau umgebracht und „entsorgt“ haben. Er informiert seinen alten Kumpel Thomas Doyle (Wendell Corey), der bei der Polizei ist. Doch der tut Jeffs Geschichte als Hirngespinst eines kurz vor dem Stubenhocker-Koller stehenden Mann ab. Es gibt auch keine Beweise. Nur die Vermutung und Beobachtung von Jeff. Doyle geht der Sache dennoch nach, nur um Beweise gegen Jeffs Behauptung zu finden.
Stella und Lisa hingegen sind schnell auf Jeffs Seite.
Meinung von Nils
Es ist heiß in Alfred Hitchcocks Film Das Fenster zum Hof. Dadurch wird das Leben träge und langsam. So auch das von Jeff, der zu allem Unglück auch noch an den Rollstuhl gefesselt ist, sich also nicht frei bewegen kann. Die meteorologisch bedingte Trägheit färbt auf die Erzählweise des Films ab. Er entwickelt sich ganz, ganz langsam. Wir werden alle zu Spannern und beobachten zusammen mit Jeff die Menschen in seiner Umgebung. In jedem Fenster, auf jeder Etage spielt eine andere Geschichte. Wir haben die blonde Tänzerin, die am offenen Fenster ihren Körper zur Schau stellt, dann das Pärchen, das bei der unerträglichen Hitze auf dem Balkon schläft und ihren kleinen Hund per Korb in den Hof herab lässt. Außerdem ist da noch der verzweifelte Musiker, die einsame Frau, das frisch vermählte Paar, die alte Künstlerin und eben der Mann, den Jeff für einen Mörder hält.
Außerdem zeigt uns Hitchcock noch einen abenteuerlustigen Mann, der eine Freundin aus der High Society hat und dem Zweifel kommen, ob er diese wunderbare Frau wirklich glücklich machen kann. Es gibt sehr viele kleine Schauplätze, die mit ruhiger Kameraführung ausgeleuchtet werden. Dann verschwindet die Nachbarsfrau und langsam kommt Spannung auf.
Das Fenster zum Hof hat eine absolut klassische Erzählstruktur, was den Spannungsbogen anbelangt. Heutzutage würde man so einen Film nicht mehr machen. Viel zu ruhig. Selbst ich ertappte mich dabei, dass ich zwei- oder dreimal überlegte "Jetzt ist er doch etwas langatmig", nur um gleich mein Urteil wieder zu relativieren. Ja, der Streifen ist ruhig, aber man bekommt in den nicht-spannenden Momenten sehr viel, sehr feinen Witz präsentiert. Das Spiel zwischen James Stewart und Grace Kelly ist toll, Thelma Ritter gibt ihre verschrobene Art dazu.
Als dann Lisa zu dem Handelsvertreter auf der anderen Hofseite geht, dort gar einsteigt, dieser zurückkommt ... — da wurde selbst ich abgestumpfter Kinogänger hippelig und zappelte in meinem Sitz. Das muss mal einer erst schaffen. Hut ab für Hitchcock.
Man muss sich auf einen sehr ruhigen Film einlassen, der lediglich zwei Kulissen hat. Immerhin sehen wir im Grunde nur Jeffs Zimmer auf der einen Seite und die Fenster der anderen Bewohner im Hinterhof. Wir bewegen uns nicht in deren Wohnungen, sondern schauen lediglich durch ein kleines Guckloch in ihr Privatleben. Dabei Spannung aufzubauen dürfte nicht jedem gelingen. Trotz der nicht gerade abwechslungsreichen Ortswahl und des langsam ansteigenden Spannungsbogens bekommt man einen amüsanten Film geboten, eine wunderschöne Grace Kelly und nebenbei noch einige Lacher, die der Zeit geschuldet sind, in dem der Film gedreht wurde. Die hatten damals schon ein seltsames Frauenbild ...
Das Fenster zum Hof muss man einmal in seinem Filmleben gesehen haben. Punkt.