Besprechung
Als 15-Jähriger ist Alistair Little (Liam Neeson) der Ulster Volunteer Force (UVF) beigetreten und mit 17 Jahren hat er seinen ersten Menschen umgebracht. Das war 1975 im nordirischen Städtchen Lurgan. Zusammen mit drei Kumpels wollte er sich Respekt in der Miliz verschaffen und so geschah es, dass er einen jungen Katholiken in dessen Haus erschoss. Der kleine Bruder des Getöteten stand auf der Straße und hat alles mit angesehen.
35 Jahre sind ins Land gegangen, Alistair war zwölf Jahre im Gefängnis für seine Taten, der Bruder von Alistairs erstem Opfer, Joe Griffin (James Nesbitt), hat immer noch an diesem Erlebnis zu knabbern. Nicht nur die Tat an sich hat sich in sein Gedächtnis gebrannt; 35 Jahre lang hat ihm seine Mutter Vorwürfe gemacht. Er hätte den Tod seines älteren Bruders verhindern können. Hätte er natürlich nicht, aber seine Mutter hat ihm das immer und immer wieder eingebläut, 35 Jahre lang verurteilende Blicke seiner Mutter.
Nun sind beide Männer auf dem Weg zu einem Fernseh-Interview auf einem Landsitz. Im Rahmen des Versöhnungsprogramms „One on One“ sollen sich die Männer aussprechen. Joe denkt nicht ans Reden, er sinnt auf Rache. Alistair hingegen will keine Vergebung, er will endlich das Gesicht des kleinen Jungens loswerden, das ihn seit 35 Jahren jeden Tag verfolgt.
Meinung von Nils
Ein schwieriger Stoff, der aber sehr gut umgesetzt wurde. Leider war Five Minutes of Heaven in breitestem irischen Englisch gesprochen. Ich muss gestehen, dass ich diesmal nicht alles verstanden habe. Weia, haben die ihre Sprache verhunzt.
Davon abgesehen, haben alle Beteiligten eine großartige Leistung abgeliefert. Liam Neeson kommt zuerst sehr weltmännisch daher, sehr kühl. Sein Gegenspieler James Nesbitt, den man hierzulande kaum kennen dürfte, spielt ebenfalls klasse. Seine Figur ist geplagt von 35 Jahren Trauma. Ein halbes Leben an Vorwürfen haben ihn zu einem nervösen Wrack gemacht, das nur noch auf Rache aus ist, aber im Ende seine "fünf Minuten" dann doch nicht bekommt.
Beide Figuren haben mir auf ihre Weise sehr gut gefallen. So war Liam Neesons Rolle die eines Mannes, der als Junge töten musste. Das war damals ganz in Ordnung. Das gehörte dazu. Doch so kalt ist er heute nicht mehr. Auch wenn die Regie-Assistentin, die bei ihm zur Vorbesprechung in der Wohnung war, meinte, diese wäre kalt. Es wäre die Wohnung eines gebrochenen Mannes
. Da realisiert Joe erst, dass "der Andere" auch ein Mensch und kein Monster ist.
Ebenfalls einen guten Job hat der Hamburger Regisseur Oliver Hirschbiegel gemacht. Die Bilder sind ruhig, seine Schauspieler gut geleitet. Zwischendurch bekommt der Film noch einmal einen kleinen Aufheller durch den einen oder anderen Witz. Keine großen Brüller, das würde den Film auch nur kaputt machen. Eher hier und da ein Ausspruch von Joe, der die Situation aufheitert. Das braucht der Film auch, ist er doch sonst sehr schwer. Die Grundthematik, der Nordirlandkonflikt und dessen Aufarbeitung von zwei Betroffenen, ist nicht das, was man abends mal eben im Fernsehen anschauen will.
Die Eingangsgeschichte zieht sich etwas hin. Kann aber auch daran gelegen haben, dass ich, wie oben schon erwähnt, von dem Gesprochenen nicht viel verstanden habe. Die jungen Schauspieler sprechen einen absolut dreckigen Dialekt. Grauenhaft — aber auch authentisch. Vielleicht hätte Five Minutes of Heaven sogar mehr Punkte erhalten, wenn ich ihn verständen hätte ...
Es gibt keine Explosionen oder Verfolgungsjagden. Der Film lebt von seinen Monologen, denn einen Dialog zwischen den beiden Männern bekommen wir nicht wirklich zu sehen. Um so schöner ist das Ende.
Hirschbiegel benutzt wunderbar akustische Geräuschteppiche. Da ist z.B. das Ticken einer Uhr zuhören, ganz nebenbei. Die Schauspieler hören auf zu reden und das Ticken geht noch weiter und weiter. Die Zeit vergeht mit einer kleinen Qual. So muss das Leben für die Alistair und Joe sein.
Unterm Strich: Wichtige Thematik, gutes Drama, tolle Schauspieler — aber nichts für einen unterhaltsamen, leichten Abend.